Samstag, 29. Juni 2019
Über Berge und durch Täler ...
In den vergangenen zwei Wochen war ich wieder einmal zweirädrig unterwegs. Geduldig trug uns das Motorrad über unzählige Pässe und Joche ins Trentino und zurück.
Das Wetter war uns hold, nur ein kompletter Regentag und gemäßigte Temperaturen, im Vergleich zu jetzt. Bilder von endloser Weite, steilen Berghängen und aromatischen Weinbergen sind in Kopf und Herz gespeichert, als Atempausen zur Entspannung, aber auch als Anregung für neue kreative Spielwiesen.
Zur Vorbereitung für die Tour gehört traditionell auch das Design und Drucken eines TourT-shirts für die Gruppe, was einige Aufmerksamkeit beansprucht hat.
Meine Nadelbriefideen habe ich darüber nicht vergessen, habe sie vielmehr mitgenommen und sie haben sich fleißig mit den Reiseimpressionen vermischt. Wie sich überhaupt bei den Nadelbriefthemen gegenseitige Befruchtungen und Inspirationen ergeben, an die man garnicht gedacht hat.
Nach der Rückkehr hat es ein paar Tage gedauert, um wieder in den kreativen Modus zu kommen (und wie schnell doch alles einstaubt, wenn man mal weg ist), aber nun sind die Nadelbriefe No. 19: Mexiko und No. 25: Baumrinde fertig zum Zeigen.
Die mexikanische Variante war eigentlich schon vor der Reise fertig, (zum Posten hat es nur nicht gerreicht) und trägt unverkennbar "Reisespuren", indem ich sie als ein Reisenähset gestaltet habe. Und falls ich einmal dorthin reisen werde, habe ich schon ein passendes Set.
Bei Mexiko fiel mir 'Sombrero' ein und 'Speedy Gonzalez', Kakteen und Frida Kahlo. Beim Blick in das digitale Lexikon blieb ich aber ganz fasziniert am Wappen auf der Flagge hängen.
Es zeigt einen Adler, der eine Schlange fängt, während er auf einem Kaktus sitzt, der auf einem Felsen steht, der in einem See liegt und stellt eine Legende um die Gründung von Tenochtitlán dar, die Hauptstadt der Azteken, die 1325 auf der gleichen Stelle entstand, auf der heute Mexiko-Stadt liegt.
Zum Schnitzen von Stempeln für Adler und Kaktus (meine erste Idee) hat es nicht gereicht, da hätte ich auch nur eine schlechte Kopie schaffen können. Stattdessen habe ich das Wappen auf Stoff gedruckt, mit Haftvlies auf die Pappsnapp-Hülle gebügelt (*)unbezahlte Produktnennung) und mit den Farben der mexikanischen Flagge umrahmt.
Auf der Innenseite klebt ein Teil einer Karte des nördlichen Mexiko, ein zufälliger Ausschnitt einer Flohmarktkarte.
Gefüllt ist der Reise-Nadelbrief mit einem Nadelfilz in Flaggenoptik und einem Nähset aus dem Hotel. Auch der Text ist zufällig und soll kein irgendwie geartetes politisches Statement sein (das ist mir nun erst im Nachhinein aufgefallen).
Nicht spektakulär, aber ganz nützlich ist er nun, mein Nadelbrief No. 19.
Für den aktuelleren Nadelbrief No. 25: Baumrinde liefen sich zwei getrennte Ideen über den Weg. Zum einen habe ich viele Bäume wegen ihrer Rinde betrachtet, ein altes Birkenstamm-Projekt hervorgeholt - und mich am Ende in die Rinde am Baum an unserem Hotel verliebt. Es ist eine Platane, die bei Hitze ihre Rinde abwirft.
Das Fleckige, Runde und Vielschichtige hat mich angezogen. Das wollte ich irgendwie stofflich hinkriegen.
Ausgangsmaterial sind Stoffe mit Rostfärbung, Monoprint, alte Druckstoffe. Die Technik eine Art Reversapplikation, ähnlich der Molatechnik, nur mit offenen Kanten.
Der erste Versuch mit einem schon strukturiert bedruckten Stoff war mir zu unruhig und zu wenig kontrastreich und wurde ausgemustert.
Dann also nochmal von vorn: zwei Lagen Stoff aufeinander legen, Grobformen mit Markierstift aufzeichnen und dann freihand die Konturen nähen.
Nach dem Ausschneiden der dunkeln Deckflächen kommt die nächste Schicht in Braun darüber und wird wieder in Form geschnitten.
Ergänzt durch innere und darüberliegende Konturlinien entstand meine ganz eigene Baumrindenstruktur.
Am Rinden-Stoffstück wollte ich die Außenkanten offen lassen und habe das Großstück mit einem Filz hinterlegt und aufgesteppt.
Hier kommt nun nämlich die zweite Idee ins Spiel: die Wirbelwind-Bindung.
Auf diese alte chinesische Bindungsart bin ich bei einer Ausstellung im Gutenberg Museum gestoßen und auch der letzte Nadelbrief 'Wirbelwind' war noch frisch im Kopf.
Man verwendet dabei Bätter, die von außen nach innen immer kürzer werden und aufeinanderliegen. Gebunden wird der Stapel an einer Seite, bevorzugt an einem Stab, über den man die Seite dann zur Rolle aufrollt. (Was Sinn macht, wenn man bedenkt, dass die chinesischen Zeichen ja von oben nach unten gelesen werden. Die Bindung hat sich allerdings nicht durchsetzen können.)
Für meinen Nadelbrief habe ich ein Bambusrohr gelocht und gespalten. Meine beiden Innenseiten für die Nadeln sind ein Druck 'ut i skogen', also 'draußen im Wald und ein Druck für die Gestaltung von Birkenrinden.
Dieser Druck ist entstanden, indem ich ein Aststück eingefärbt und über den Stoff gerollt habe. (im zweiten Bild sieht man oben links, wie der applizierte Stamm dann aussieht)
Eine einfache Heftbindung über das Bambusrohr hält die drei Stofflagen zusammen. Mit der angenähten Jutekordel kann man den Baumrinden-Nadelbrief schließen.
Ein wenig größer als die anderen ist er geworden, und vielleicht nicht ganz so nützlich, aber diesmal stand die Gestaltung im Vordergrund.
Beim Nadelbrief-Jahr ist nun Halbzeit, aber es gibt keine Pause, denn das nächste spannende Thema wartet schon: Mensch ärgere dich nicht.
Frau Nahtlust zeigt sie alle hier, schaut euch mal um, welch tolle Umsetzungen sich dort versammeln.
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Das Baumrindenkunstwerk ist sagenhaft, hammermäßig schön. Was für ein toller Transfer von der Natur in die Näh-Kunst. Ganz herzlich, Elvira
AntwortenLöschenAlso diese Baumrindenrolle ist ja wohl der Megahammer, liebe Elvira! Wow, das wirkt absolut echt und ist dir supergut gelungen! Ich bin sehr beeindruckt von der Wirkung und den Lagerungen, den vermeintlich willkürlichen und sehr natürlich wirkenden Maserungen. Sehr sehr genial! Auch die Halterung und das Rollen: eine famose Idee! Dein Nadelbriefchen für unterwegs mit Mexiko ist auch eine ganz andere und ganz feine Idee - überhaupt ist das toll, um als Geschenk Vielreisenden eine Freude zu machen :-) Denn nicht immer gibt es unterwegs in Hotels noch so ein Nadelset, und nicht immer ist man überhaupt in Hotels über Nacht....! Rundum gelungen und wie fein, dass beide nun Teil der Verlinkung sind. Danke dir! LG. Susanne
AntwortenLöschenLiebe Elvira,
AntwortenLöschenich kann mich frau nahtlust nur anschließen. Als ich deinen Beitrag gelesen hatte war das einzige was mir einfiel: Wow!!!!!
Da hast du supertolle Nadelbriefe gemacht :-)
Liebe Grüße Petra
Liebe Elvira,
AntwortenLöschenWow, wow, wow. So eine Baumrinde habe ich noch niemals gesehen, die Technik ist der Hammer und die Bindung mit dem Bambusrohr, ganz großes Kino. Ich bin begeistert. Auch Mexiko ist Dir gut gelungen, das Wappen ist wirklich sehr interessant.
viele Grüße Margot
Wow, zwei großartige Kunstwerke...ich bin sprachlos! Besonders deine Rindenvariante finde ich grandios:))
AntwortenLöschenLiebe Grüße Kerstin